So plakativ wie in diesem Wahlkampf ist in den Wahlkampagnen, Triellen, Talkshows usw. wohl noch nie der ländliche Raum und die Landwirtschaft so unerwähnt geblieben. Umso wichtiger ist es, dass in dem jetzt noch auszuhandelnden Koalitionsvertrag so wichtige und existenzielle Punkte wie die Entwicklung des ländlichen Raumes, die Wertschöpfung auf unseren landwirtschaftlichen Betrieben und die Wertschätzung unserer Lebensmittel eine wichtige Rolle spielen.
In den Formulierungen darf aber kein „müsste“ oder „sollte“ stehen, sondern ein „muss“ und „machen“. Bei aller gebotenen Eile angesichts der Herausforderungen, vor denen wir stehen, muss Qualität vor Geschwindigkeit gehen. Wir müssen endlich wieder dahin kommen, dass zu jedem Veränderungsansatz eine Folgenabschätzung gehört und diese fachlich stattfindet.
Die ewig gleichen Plattitüden, die ewig gleichen Formulierungen herunterzuleiern und zu predigen, dass wir schneller werden müssen, ohne konkrete Maßnahmen zu nennen, helfen uns nicht weiter. Ziele müssen mit Maßnahmen hinterlegt, also mit Leben gefüllt werden. Es ist jetzt die Zeit für neue Ideen, für übergreifende Ideen, für gemeinsame Wege.
Die Entwicklung des ländlichen Raumes und damit verbunden der landwirtschaftlichen Familienbetriebe, darf nicht vergessen und kann nicht von der Entwicklung der urbanen Räume abgekoppelt werden. Themen wie Klimaschutz, Flächenverbrauch, Insektenschutz, Verschwendung von Lebensmitteln, Tierwohl usw. sind gesellschaftliche Themen. Ein „weiter so“ löst nichts und wird die gesellschaftliche Spaltung zu diesen Fragen nur weiter vertiefen.
Klimaschutz, Umweltschutz aber auch Hochwasserschutz müssen neben der Produktion von hochwertigen, regionalen Lebensmitteln ein erklärtes Ziel jeder neuen Regierung für den ländlichen Raum sein und zu neue Einkommensquellen für die Landwirtschaft und die Regionen werden.
Der Flächenverbrauch und die Bodenversiegelung ist hier eine ganz wichtige Frage. Wie können wir also diese enorme Flächenversiegelung verringern und wie kann der ländliche Raum gesellschaftlich und finanziell davon profitieren? Unbestritten ist: Beton bindet kein CO2, saugt kein Wasser auf, bietet keine Lebensgrundlage für Insekten und auf ihm wächst auch kein Gemüse. Landwirtschaftliche Flächen können das alles leisten, wenn es uns das Wert ist.
Die Digitalisierung ist die zweite entscheidende Frage. Ist es nicht ein interessanter Gedanke, dass Menschen, die auf dem Dorf leben, die in den ländlichen Regionen leben, von zu Hause aus arbeiten können und nicht zwingend jeden Tag in die Stadt pendeln oder sogar dahinziehen müssen. Das würde CO2 sparen und Dörfer wieder zu neuem Leben erwecken. Und wo Menschen wieder arbeiten, wo Menschen wieder leben, ist es da nicht denkbar, dass damit plötzlich auch wieder Lebensmittel benötigt werden, die regional zu einer neuen Wertschöpfung führen können und vielleicht sogar urbane Wohnungsmärkte entlasten können? Die Coronakrise hat es uns gezeigt, dass es geht. Nur stündlich einen Bus des öffentlichen Nahverkehrs in jedem Dorf losfahren zu lassen bringt gar nichts.
Das sind nur 2 Themenfelder, die neu gedacht werden müssen. Zu einem neuen denken gehört aber auch, dass wir nicht nur Erwartungen und Forderungen als ländlicher Raum und als Landwirtschaft formulieren, sondern mit frischen Ideen aktiv mitgestalten. Es reicht von unserer Seite nicht aus, jedes Thema mit den Worten „Wir erwarten…“ oder „Wir fordern…“ zu kommentieren. Das ist kontraproduktiv und bringt uns für eine faire und wertschätzende Diskussion zu den gesellschaftlichen Themen, die den ländlichen Raum und die bäuerlichen Familien teilweise massiv betreffen, nicht weiter.
Vielmehr sollten wir unsere Argumente mit „Unsere neue Idee ist…“, „Wir arbeiten mit daran…“ „Nur gemeinsam können wir…“ oder „Wir sind bereit für…“ beginnen.
Wir müssen mitgestalten, neu denken und bereit sein, Veränderungen gemeinsam umzusetzen.
Und wenn „Nachhaltigkeit“ der neue Begriff für Vieles ist, dann darf er nicht ideologisch, sondern nur mit neuen Ideen aufgeladen werden.